„Ich war fleißig am abstürzen“ – Geschichte einer Krankheit

Drogen und Psychosen hängen oft eng zusammen. Die BRÜC’KE unterhält für Hilfeleistungen in diesem Bereich der psychischen Erkrankungen seit dem Jahr 2000 die Angebote „Psychose und Sucht“. Hierzu gehören eine „Sozialpsychiatrische Wohn- und Betreuungseinrichtung“, eine Wohngruppe, die „Ambulante Betreuung“ und die Online-Beratung. In diesem Beitrag erzählt ein Betroffener seine Geschichte. Sein Bericht wird im nächsten Beitrag von der Sichtweise der Mutter ergänzt. Beide möchten anonym bleiben. Wir veröffentlichen beide Berichte, da der Betroffene seine psychische Erkrankung erkannt hat, eine Therapie durchläuft und sich – auch mit der Hilfe der BRÜCKE – auf dem Weg der Besserung befindet.

Ein Betroffener:

„Bei mir hängt meine Psychose dicht mit meinem Drogenkonsum zusammen. Ich hab angefangen so etwa mit 13 /14 Jahren zu kiffen. Schon damals wusste ich eigentlich dass ich es nicht so gut vertragen kann. Irgendwann hab ich gemerkt, dass ich durchs Kiffen tierische soziale Ängste gekriegt hab. Einmal war ich dann mal beim ATS und hab aber nichts erreicht, sondern weiter gemacht.

Dann, mit 17 hab ich plötzlich sehr viel geraucht, das war im Winter und ich hatte nichts Besseres zu tun und genug zum Rauchen. Doch die Wirkung hat jetzt keine Angst mehr ausgelöst, irgendwie bin ich in etwas viel tieferes gerutscht: Es hat sich so was wie eine zweite Wirklichkeit aufgetan. Gepaart mit viel Zeit vorm Internet, wo ich mir abgedrehte Videos auf Youtube angeguckt habe, hat das dazu geführt, das ich in einem Rausch plötzlich komische Sachen wahrgenommen hab. Einmal dachte ich, in mir wär ein Dämon, da stand ich vorm Spiegel und hab plötzlich ein ganz anderes Gesicht gesehen, eins, das keine Gefühle hat und meine Mundwinkel waren irgendwie breit. Als ich am selben Tag raus gegangen bin, hab ich alle Menschen in der Umgebung ganz anders wahrgenommen, irgendwie intensiver, aber ohne Gefühle.

Dann im selben Winter habe ich es auf die Spitze getrieben. Von abends bis zum nächsten Morgen hab ich durchgemacht und dachte ich brauch keinen Schlaf. Dazu hab ich einen Joint nach dem anderen geraucht. Als ich dann zur Schule wollte, ohne geschlafen zu haben und wahrscheinlich noch bekifft und in einer Psychose , bin ich erst durch die Stadt gefahren, wo ich eine Person gesehen hab von der ich dachte, dass er mir meine maskuline Energie gestohlen hat. Irgendwie hatten manche Menschen ihr drittes Auge geöffnet, so dass ich es gesehen hab, als ich kurz noch bei meiner Mutter vorbeischauen wollte hab ich aus dem Fenster geguckt und da haben zwei Alkoholiker irgendwas in den Büschen gemacht, ich dachte die haben irgendeinen Zauber auf mich heraufbeschworen, als ich dann noch einen Wagen gesehen hab wo so ein orangen Blinklicht geleuchtet hat (Arbeiter von der Stadt, um die Wege zu fegen o.ä.) dachte ich, die würden die Geisterwelt entfernen, damit die allgemeine Bevölkerung es nicht sieht.

Meine Mutter hat meinen Zustand irgendwie mitgeschnitten und mir gesagt, dass ich zu einem Arzt gehen soll oder in die Geschlossene, das hat mir so eine Angst gemacht, weil ich dachte die entziehen mich dieser Fantasiewelt/ Geisterwelt, wie man es auch nennen will. Letztendlich haben die auch genau das erreicht, indem sie mich auf Medikamente ruhig gestellt haben. Meine Mutter hat mich dann mit einer Freundin zusammen nach Schleswig gebracht in die Haithabuklinik

Nach der ersten Nacht war die ganze Welt irgendwie anders, das lag wahrscheinlich auch an der ungewöhnlichen Umgebung. Jedenfalls war ich wie ausgewechselt. Vorher war alles irgendwie noch aufregend, jetzt hab ich mich einfach tierisch matt gefühlt, das lag wahrscheinlich an der hohen Medikation.

Ich weiß, das seitdem ein Stück meiner Psychose immer dabei war, immer hatte alles einen Touch von abgedreht, aber nie hab ich den alten Zustand wieder erreicht. Auf der anderen Seite der Medaille waren Depressionen und Konzentrationsschwierigkeiten der Zustand. Das war dann so bis zum Herbst nächsten Jahres, bis ich mich wieder nach draußen orientiert hab und nicht mehr die ganze Zeit in der Bude vorm PC gehockt hab. Doch da in meinem Freundeskreis viel gekifft wird, hab ich mich wieder angesteckt und wieder die erste Tüte geraucht. Im Prinzip hat das nichts Neues ausgelöst, es hat meinem Heilungsprozess jedoch im Weg gestanden.

Dann im Winter 2013/2014 war ich fleißig am abstürzen und zwar jedes Wochenende. Das war einerseits ganz witzig, andererseits hat das mein Vater nicht so witzig aufgefasst, denn er hat mich immer nur danach gesehen und da war ich ziemlich geschunden. So wie es war konnte er es nicht lange mit ansehen und hat mich wieder in eine Klinik gebracht, diesmal nach Eppendorf ins Uniklinikum. Irgendwie war in dieser Zeit was anderes was sich langsam herausgebildet hat, nämlich Zwangsgedanken, die mich die ganze Zeit beschäftigt haben. Davon bin ich heute auch noch nicht befreit, es ist auch nicht behandelt und ich habe sie kaum erwähnt bei den psychologischen Gesprächen.

Im Laufe des Jahres 2014 habe ich einige Therapien durch: erst 2 Monate im UKE, dann 3 Monate in einer Tagesstätte, und am Schluss bin ich in einer Einrichtung der BRÜCKE gelandet, wo ich jetzt wieder wohne.

Tja und was ich noch erzählen möchte ist, dass ich mich von einigem Krams im Internet ziemlich stark hab beeinflussen lassen: so hab ich mich mit Satanismus und Verschwörungstheorien beschäftigt, das muss so im Winter 2012 gewesen sein. Das hab ich dann ungefiltert meinem Bezugstherapeuten erzählt, wodurch ein total absurder Entlassungsbericht entstanden ist.

Und zu der selben Zeit, im Dezember war das , hatte ich einmal ein sehr krasses Erlebnis. Ich hatte plötzlich Angst vor mir selber und vor dem was ich hätte tun und anrichten können. Ich saß so vorm Computer und hatte mir grad irgendwas abgedrehtes angeguckt, da hab ich mich auf einmal total zeitlos und alienhaft gefühlt und alles war wie in einem Tunnelblick. Als ich dann im Schrank meines Vaters eine Buddhafigur gesehen hab, die er eigentlich seiner Freundin zu Weihnachten schenken wollte, hab ich sie mir ans Bett gestellt und die Figur hat mir dann irgendwie Halt gegeben, seitdem bin ich ein bisschen zum Buddhismus konvertiert, gerade auch weil es einem Antworten bietet, die für mich in dem Augenblick wie weggewischt erschienen.“

Ein Betroffener

 

Hinweis:

Diese Webseite informiert unter „Angebote“ und „Psychose und Sucht“ über Hilfsangebote. Dort ist auch eine Broschüre als PDF verfügbar.