Positive Bilanz beim neuen Angebot für Adoleszenten

Junge Erwachsene in der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Vor einem Jahr hat die BRÜCKE in ihrer Tagesklinik in Lübeck ein spezielles Therapieangebot für psychisch erkrankte junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren eingerichtet. Das Angebot der Tagesklinik ist eine Reaktion auf die steigende Zahl psychischer Erkrankungen in dieser Altersgruppe. Der Übergang zwischen Pubertät und Erwachsenenleben ist für junge Menschen mit vielen oft sehr schwierigen Aufgaben verbunden. Dazu gehören z.B. eine stabile Identitätsbildung, die persönliche Verselbstständigung sowie die Gestaltung eines eigenen sozialen Raumes außerhalb der Herkunftsfamilie. Für eine zunehmende Anzahl junger Menschen ist diese Phase auf dem Weg zur eigenständigen Entwicklung mit Belastungen bis hin zu psychischen Erkrankungen verbunden.

Dr. Antja Burfeind (Leiterin der BRÜCKE-Tagesklinik) zieht erste Bilanz zum Angebot für junge Erwachsene
Dr. med. Antje Burfeind (Leiterin der BRÜCKE-Tagesklinik) zieht erste Bilanz zum Angebot für junge Erwachsene

„Unsere bisherigen Behandlungsangebote für Jugendliche und junge Erwachsene schienen unvollständig und nicht angemessen für die Altersgruppe von 18 bis 25 Jahre“, erläutert die Leiterin der Tagesklinik, Dr. Antje Burfeind. „Unser neues Angebot richtet sich zum einen an junge Erwachsene, die eine psychische Erkrankung haben und dem Kinder- und Jugendpsychiatriebereich entwachsen, als auch an junge Menschen, die beim Erwachsenwerden psychisch erkranken. Es handelt sich um ein Angebot am Übergang aus dem Kinder- und Jugendbereich in den Erwachsenenbereich.“

Anlässlich ihrer Tagung „Frust und Lust – Herausforderungen der Adoleszentenpsychiatrie“ Anfang November hat die Tagesklinik der BRÜCKE jetzt eine erste Bilanz gezogen. Zehn der insgesamt 33 Plätze der Einrichtung stehen seit der Erweiterung für die Behandlung junger Erwachsener zur Verfügung. In den ersten drei Quartalen 2017 wurden insgesamt 219 Patienten behandelt, davon 53 junge Erwachsene, aufgeteilt in 21 Männer und 32 Frauen. 10 % kamen aus stationärer und 90 % aus ambulanter Vorbehandlung in die Tagesklinik. Rd. 80 % der jungen Erwachsenen stammten aus Lübeck, etwa 15 % aus dem Kreis Ostholstein. Als Behandlungsdauer sind in Abhängigkeit von der Kostenzusage der Krankenkasse regulär bis zu 12 Wochen vorgesehen, doch etwa 20 % der jungen Erwachsenen brechen die Behandlung vorzeitig ab.

Die jungen Erwachsenen werden in einer eigenen Gruppe sowohl therapeutisch als auch pädagogisch unterstützt. „Wir haben einen speziellen Therapieplan entwickelt, der sowohl Psychotherapie im Einzel- und Gruppensetting, als auch pädagogische und schulende Elemente, alltagspraktische Fähigkeiten und viel Sport und Spaß enthält“, ergänzt Antje Burfeind. Da die jungen Menschen vom Fachteam der Tagesklinik eng begleitet werden, entwickelt sich eine intensive Gruppen- und Therapieatmosphäre. „Viele leiden unter Ängsten, haben schwierige biografische Erfahrungen, sind nicht in schulische oder berufliche Bezüge integriert und in einer Phase der Ablösung vom Elternhaus. Sie benötigen einerseits intensive Unterstützung, andererseits auch Anforderung und Freiraum.“

In den regulär 12 Wochen der Behandlung entwickeln einige der jungen Menschen eine enge Bindung an die Patientengruppe, das Team und das Haus. Viele sammeln positive Erfahrungen, die sie lange nicht mehr hatten. Der Weg aus der Tagesklinik in den selbständigen Alltag fällt manchmal schwer. Gegen Ende der Behandlung nutzen einige Patienten die arbeitstherapeutische Belastungserprobung in den Räumen der Ergotherapiepraxis der BRÜCKE. Dort gilt es zu erproben, wie es um die Arbeitsfähigkeiten der jungen Erwachsenen aktuell bestellt ist. Auch stehen bei Bedarf einzel- und gruppentherapeutische Angebote der Institutsambulanz zur Verfügung.

Dr. Dietmar Steege leitet bei der BRÜCKE den Bereich Behandlung und Reha
Dr. med. Dietmar Steege leitet bei der BRÜCKE den Bereich Behandlung und Reha

Die Tagung „Frust und Lust – Herausforderungen der Adoleszentenpsychiatrie“ (am 1. November in der Tagesklinik) war gut besucht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus sozialpsychiatrischen Einrichtungen in Lübeck und Umgebung, aus Kliniken, Bildungseinrichtungen, Arztpraxen, von der Arbeitsagentur und von Einrichtungen der Hansestadt Lübeck.

Große Aufmerksamkeit fand der Vortrag von Prof. Dr. Harald Freyberger vom Hanseklinikum Stralsund, der über „Geschlechtsidentität in der Adoleszenz“ und „Transgender“ referierte. Trotz des Transsexuellengesetzes aus 1980 – so Prof. Freyberger – scheinen die Themen Transgender und Geschlechtsidentität an der Psychotherapie bislang weitgehend vorbei gegangen zu sein. Zwei Studien haben ergeben, dass Patienten durchaus mit ihrem Hausarzt (92% der Befragten) oder Therapeuten (78%) über diese Themen reden würden. Doch über 80% der Allgemeinmediziner und fast 70% der Psychotherapeuten waren der Meinung, die Patienten wollten dies gar nicht. Die Themen scheinen in der Psychotherapie noch immer tabuisiert zu sein, obwohl sich sexuelle Formen und Ausdrucksweisen erheblich geändert haben und die öffentliche Diskussion über diese Themen offener geworden ist.

Susanne Pantel vom Reha-Team der Arbeitsagentur Lübeck berichtete in ihrem Vortrag über die Unterstützungsangebote „zum Einstieg in das Arbeitsleben für junge Menschen mit psychischen Erkrankungen“. Diese reichten von der Berufsvorbereitung mit speziellen Hilfen, der gezielten Arbeitserprobung und Berufsfindung über die Fachpraktiker-Ausbildung und die Vollausbildung in einem Berufsbildungswerk bis hin zur unterstützten Beschäftigung und Innerbetrieblichen Qualifizierung. Die BRÜCKE, die selber verschiedene Reha-Maßnahmen anbietet, arbeitet eng mit dem Reha-Team der Arbeitsagentur Lübeck zusammen.

Die Wahl dieser Referenten unterstrich das Kernanliegen der tagesklinischen Behandlung: fundierte psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung mit dem Ziel einer gestärkten persönlichen Identität  und verbesserten  sozialen Teilhabe.

Einen bleibenden Eindruck hinterließen junge Patienten der Tagesklinik, die zum Schluss der Tagung in einer szenischen Aufführung ihre Sicht auf die eigene Situation, die Erkrankung und das sie umgebende soziale Umfeld darstellten.