Fragen zur Landtagswahl in SH

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

im Rahmen der anstehenden Landtagswahl in Schleswig-Holstein haben wir, die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände Lübeck, folgende Parteien zu speziellen Themen rund um den sozialen Bereich angeschrieben. Die Fragen und Antworten möchten wir Ihnen gerne zur Verfügung stellen.

Angeschrieben wurden die Kreisverbände folgender Parteien in Lübeck:

  • CDU
  • Bündnis 90 / Die Grünen
  • Die Linke
  • SPD – keine Antwort
  • FDP – keine Antwort

Fragenkatalog an die Lübecker Kandidat*innen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 08. Mai 2022

1. Pflege

Die Pflege hat sich mal wieder als verlässlicher Partner während der Corona Pandemie gezeigt. Das Personal ging aber dafür oft über das Leistbare hinaus und gute Pflegekräfte die mitten im Leben stehen, haben der Pflege den Rücken gekehrt und wollen nicht wieder zurück, weil der Beruf sie physisch und psychisch über ihre Grenzen belastet. Die verbleibenden Pflegekräfte müssen nun einmal mehr aus dem Frei geholt werden, da die Personaldecke viel zu dünn geworden ist.

Wie wollen Sie sich dieser ganz brennenden Aufgabe stellen und Pflegekräfte wieder motivieren?

Antworten

CDU – Dr. Hermann Junghans

Wohl jede Berufsgruppe, und das gilt für die Pflege ganz besonders, erwartet im Wesentlichen drei Dinge als Anerkennung: Wertschätzung, vernünftige Bezahlung und Schutz.

Durch Corona ist die Wertschätzung der Bevölkerung für die Pflege nach meiner Auffassung deutlich gestiegen. Es muss verhindert werden, dass diese Wertschätzung nach der Pandemie wieder auf den Stand vor Corona zurückfällt.

Eine finanzielle Besserstellung der Pflegetätigkeit wird aber nur in einzelnen Schritten erfolgen können. Es ist zu beachten, dass sich viele Berufsgruppen eine finanzielle Besserstellung ihrer Tätigkeit wünschen. Es ist nichts gewonnen, wenn Gehaltszuwächse durch die Inflation wieder aufgefressen werden. Die Realisierung breiter Einkommenszuwächse für alle Branchen ist allerdings ein typischer Inflationstreiber. Zusätzlich zu den gestiegenen Preisen für Energie und Lebensmittel wären sehr starke Einkommenszuwächse deshalb sehr gefährlich und helfen niemandem, weil es auf reale, also inflationsbereinigte Einkommenszuwächse ankommt.

Das heißt nicht, dass Pflegekräfte auf reale Einkommenszuwächse verzichten sollen. Im Gegenteil: Ich bin sehr dafür, dass die Pflege besser bezahlt wird. Fortschritte können hier aber nur schrittweise und durch die Tarifpartner erfolgen. Die Grundlage für alle Einkommenszuwächse bleibt eine stabile Wirtschaft, die in der Lage ist, ihre Produktivität zu steigern und zugleich die natürlichen Ressourcen zu schonen. Der dritte Punkt ist der Schutz: Bei manchen Betrieben habe ich Zweifel, ob wichtige Arbeitsschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel das Arbeitszeitgesetz, eingehalten werden. Hier wünsche ich mir mehr Überwachung durch die Gewerbeaufsichtsämter.

CDU – Frau Dagmar Hildebrand und Frau Anette Röttger

Besonders die Coronapandemie hat uns gezeigt, dass wir eine gute stationäre Versorgung in Schleswig-Holstein brauchen. Daher wollen wir nicht nur die flächendeckende, wohnortnahe und zeitlich verlässliche Gesundheits- und Pflegeversorgung sicherstellen, sondern auch die Ausbildung und die berufliche Situation des Pflegepersonals zu stärken. Als ersten Schritt müssen wir den Pflegeberuf attraktiver gestalten. Dabei müssen die Verdienstmöglichkeiten gerecht werden. Außerdem wollen wir auch attraktive Rückkehrerprogramme, die Bereitstellung von Assistenz- und Unterstützungssystemen und die Steigerung der Ausbildungsplätze in der Kranken- und Altenpflege.

Wir setzen uns zudem auch dafür ein, dass die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen in diesem Bereich unbürokratischer wird und das gezielte Anwerbung von ausländischen Ausbildungskräften verstärkt wird. Ebenso wollen wir wohnortnahe Pflegeausbildung ermöglichen und setzen uns das Ziel weitere Pflegefachschulen einzurichten, wenn die Ausbildungsbedarfe dafür vorhanden sind.

Bündnis 90 / Die Grünen – Herr Arne-Matz Ramcke

Durch einen besseren Personalschlüssel, gute Weiterbildungs- und Verdienstmöglichkeiten, sprich durch mehr Geld beim Pflegepersonal sehe ich auch die Chance die bestehende Motivation über die Zeit zu verbessern.

Die Linke – Herr Thomas Karrenbrock, Herr Sebastian Kai Ising, Frau Katjana Zunft

DIE LINKE setzt sich seit Jahren für eine gesetzliche Personalbemessung in der Pflege ein, die sich sowohl am tatsächlichen und individuellen pflegerischen Bedarf orientiert als auch am Pflegeleitbild der jeweiligen Pflegeeinrichtung. Viele unsere Mitglieder sind oder waren in der Pflege aktiv, sowohl als Fachkraft oder als Pflegehilfskraft. Sie berichten uns fast täglich von den alltäglichen Problemen und das nicht erst seit der COVID-19-Pandemie. Diese Genoss*innen sind in ganz Deutschland in Personal- und Aufsichtsräten, Gewerkschaften, Berufsverbänden aktiv und setzen sich dort für eine  wirkliche Aufwertung der Pflegeberufe ein. Diese Aufwertung bedeutet für uns deutlich höhere Löhne und deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen.

Für DIE LINKE ist es wichtig, dass Sozial- und Pflegeeinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft (Kommune oder Land) sind und dem Wohl der Menschen dienen. Das Pflegepersonal darf sich nicht kaputt arbeiten und muss physisch und psychisch gesund bleiben. Den Kranken und Pflegebedürftigen muss, unabhängig vom Einkommen und Status der Person, bestmöglich geholfen werden. Eine öffentliche Trägerschaft sichert die Tarifbindung und gute Bezahlung nach Tarifvertrag und sorgt ebenfalls dafür, dass die Pflegeeinrichtung keine Gewinne in die Taschen von Einzelpersonen oder Konzernen abführt.

Ebenso kann nur die öffentliche Trägerschaft sicherstellen, dass die medizinische und pflegerische Versorgung wohnortnah für alle Menschen möglich ist.

2. Nachwuchsgewinnung

Nachwuchsgewinnung im sozialen Bereich heißt, sich dem Wettbewerb um junge Menschen zu stellen. Hier hat der soziale Bereich strukturelle Nachteile. So erhalten angehende Erzieher*innen, sozialpädagogische Assistent*innen und Heilerziehungspfleger*innen anders als angehende Fachkräfte in der Pflege in der Regel keine Ausbildungsvergütung. Das Fehlen einer Ausbildungsvergütung im sozialen Bereich ist ein Kennzeichen fehlender Anerkennung des Berufs.

Braucht der soziale Bereich, insbesondere die Bereiche Kindertagesbetreuung, Hilfen zur Erziehung und die Eingliederungshilfe, nicht – wie in der Pflege schon realisiert – eine wettbewerbsfähige Ausbildungsstruktur, bei der eine Ausbildungsvergütung Standard ist, der auch refinanziert und damit gesellschaftlich anerkannt ist?

Antworten

CDU – Dr. Hermann Junghans

Ich vertrete den Grundsatz, dass in jeder Ausbildung, in der die Auszubildenden schon Leistungen erbringen, auch eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird. Das gilt selbstverständlich auch für die Pflege und wird auch unerlässlich sein, um zukünftig Interessenten für die Ausbildung als Pflegekräfte zu gewinnen.

CDU – Frau Dagmar Hildebrand und Frau Anette Röttger

Mit dem Ausbau der praxisintegrierten Ausbildung (PiA) der Kita-Erzieherinnen und Erziehern haben wir bereits Schritte in die Wege geleitet, um den Fachkräftebedarf entgegenzusteuern. Wir unterstützen dabei das duale Ausbildungssystem mit den Fachschulen.

Das Land finanziert ab dem Kita-Jahr 2022/23 ein Teil der PiA-Ausbildungskosten. Das bedeutet, dass das Land 25% der Ausbildungsvergütung im 1. Lehrjahr übernimmt. Zusätzlich zahlt das Land den Kita-Trägern eine Anleitungsstunde pro PiA-Kraft und Woche. Zudem wird die Erzieherausbildung auch im 2. Ausbildungsjahr aus den SQKM (Standardqualitätskostenmodell)-Mitteln mitfinanziert. Wir wollen auch weiterhin stetig die Ausbildungen im sozialen Bereich fördern und ausbauen.

Dafür brauchen wir auch eine Reform der SPA Ausbildung. Wir müssen uns auch künftig intensiv beraten und nach optimalen Lösungen suchen. Dabei wollen wir im engen und konstruktiven Kontakt mit den Landesarbeitsgemeinschaften des Landes stehen.

Bündnis 90 / Die Grünen – Herr Arne-Matz Ramcke

Das Projekt PiA (praxisintegrierte Ausbildung) macht es im Bereich der Erzieher:innen vor, dieses Projekt gilt es weiter auszubreiten und zum Standard zu machen. Die Einrichtungen und Träger müssen bereits in den Schulen ihre Tätigkeitsfelder bewerben und für eine Ausbildungsvergütung sorgen und damit ihren eigenen Nachwuchs aufbauen.

Die Linke – Herr Thomas Karrenbrock, Herr Sebastian Kai Ising, Frau Katjana Zunft

1.Eine Ausbildungsvergütung nach Tarifvertrag ist unerlässlich. Unterer Maßstab muss dabei immer der Tarifvertrag des öffentlichen Trägers sein.

Es ist ein großer Fehler unserer Gesellschaft, dass Anerkennung (oft) vom Einkommen abhängt und nicht davon, welche Leistung jemand für die Gesellschaft erbringt, egal ob bezahlt oder unbezahlt. Gerade Berufsgruppen, die sich dem sozialen Zusammenhalt und der Chancengleichheit widmen landen am Ende des Lebens in der Grundsicherung. Je stärker DIE LINKE in Schleswig-Holstein und Deutschland Verantwortung übernimmt, umso sicherer ist es – dass sich das ändert.

Wir statten die gemeinnützigen Träger*innen der Wohlfahrtspflege in allen Sozialbereichen mit bedarfsdeckenden finanziellen Mitteln aus, damit diese ihr Personal wertschätzend bezahlen und qualifizieren können. Wir sehen uns als Partner*in von allen gemeinnützigen Träger*innen von sozialen Einrichtungen und Diensten. Viele unserer Mitglieder arbeiten seit Jahrzehnten auf verschiedenen Ebenen mit ihnen vertrauensvoll zusammen.

3. Stationäre Kinder- und Jugendhilfe

Die Lübecker Träger der stationären Wohngruppen für Kinder/Jugendliche, die nicht mehr zu Hause leben können, haben 2021 den Notstand für die Umsetzung dieser Pflichtleistung der Jugendhilfe und eine strukturelle Kindeswohlgefährdung angezeigt. Darüber hinaus beklagen die Wohlfahrtsverbände, dass benachteiligte Kinder und Jugendliche keine ausreichende Lobby in Gesellschaft und Politik haben und ihre besonderen Bedürfnisse keine angemessene Berücksichtigung findet, solange keine schweren Kinderschutzfälle von Misshandlung und Vernachlässigung bekannt werden.

  1. a) Welche politischen Maßnahmen zur Finanzierung und Gestaltung kommunal und landesweit halten Sie im Bereich der Jugendhilfe und der Bildung für besonders wichtig und geeignet, um die Bedarfe dieser Kinder/Jugendlichen verstärkt in den Blick zu nehmen und angemessen zu berücksichtigen?
  2. b) Wie und an welchen Stellen müssen Kommune und Land zusammenwirken, um tragfähige Reformen auf den Weg zu bringen?

Antworten

CDU – Dr. Hermann Junghans

Als ehemaliger Sozialdezernent einer kreisfreien Stadt war ich auch für die Hilfen zur Erziehung zuständig. Das Thema ist mir deshalb nicht fremd.

Ich weiß auch, dass Kindeswohlgefährdung in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommen. In prekären Verhältnissen gibt es diese Probleme aber weit überproportional. Erstaunlicherweise gibt es relativ wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu den Ursachen und den Möglichkeiten solche Situationen präventiv zu verhindern. Ich glaube aber, dass die Probleme deutlich gemindert werden könnten, würden potenzielle Eltern mit Vermittlungshemmnissen auf einem zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt werden.

Viele, auch in meiner Partei, sehen einen zweiten Arbeitsmarkt kritisch. Ich bin aus den vorgenannten sozialen Überlegungen heraus dennoch für einen zweiten Arbeitsmarkt, selbst wenn er sich unter rein wirtschaftlichen Bedingungen nicht allein trägt. Es ist nämlich nachvollziehbar, dass in Familien ohne hinreichende Lebensperspektiven Kindeswohlgefährdungen überproportional auftreten. Aus vielen Gesprächen mit in Heimen tätigen Fachleuten weiß ich, dass so manche Elternschaft nicht hauptsächlich auf dem Wunsch beruht, eine Familie zu gründen, sondern auch als Entschuldigung vor sich selbst oder auch anderen dient, warum man keine Arbeit aufnehmen könne.

Ihre Fragestellung zielte wahrscheinlich nicht in erster Linie auf meine vorgenannten Ausführungen ab. Mir ist es dennoch wichtig, die ganze Problematik auch mehr hinsichtlich ihrer Ursachen zu beleuchten.

Ungeachtet dessen wird es das Problem von Kindeswohlgefährdung immer geben, auch wenn sich die Wahrscheinlichkeit durch bessere Ursachenbekämpfung irgendwann senken ließe. Falls eine Inobhutnahme unabdingbar ist, muss es das Ziel der Jugendhilfe bleiben, die Kinder grundsätzlich in ihre Familien zu reintegrieren. Dieses Gebot ergibt sich auch aus Artikel 6 Grundgesetz und ist keine Theorie, sondern regelmäßig auch entscheidungsrelevant für die Familiengerichte. Sollte das nicht möglich sein, und auch solche Fälle wird es immer geben, wird es weiter der Hilfe von geeigneten Pflegefamilien bedürfen. Eine falsch ausgesuchte Pflegefamilie birgt natürlich auch Gefahren für Kinder. Ich halte es deshalb für sinnvoll, eine breit angelegte Untersuchung zur Frage durchzuführen, ob die derzeitige Praxis der Jugendämter mehr Gefahren bei den Versuchen der Reintegration in die Ursprungsfamilien oder bei der Auswahl von Pflegefamilien mit sich bringt. Beide Alternativen sind insbesondere bei schwer gelagerten Fällen mit den Chancen und Risiken der Heimunterbringungen abzuwägen.

CDU – Frau Dagmar Hildebrand und Frau Anette Röttger

zu a) Kinder und Jugendliche sind unserer Zukunft. Daher müssen wir sie umfangreich schützen und unterstützen. Um besonders ihre Bedürfnisse im Fokus zu halten, haben wir Projekte ins Leben gerufen, wie zum Beispiel die Initiative „Kein Kind ohne Mahlzeit“, welches erst bei uns in Schleswig-Holstein und dann sogar bundesweit dafür gesorgt, dass Kinder aus einkommensschwachen Haushalten täglich ein kostenfreies und warmes Mittagessen erhalten. Aber auch Chancengleichheit und Gerechtigkeit sind elementar. Dazu unterstützen wir das Perspektivschulprogramm des Landes, um Bildungschancen zu erhöhen. Wir wollen auch das Thema Kinderarmut angehen und setzen auf eine enge Zusammenarbeit mit der offenen Kinder- und Jugendarbeit, der Kinder- und Jugendverbandsarbeit, der kulturellen Jugendarbeit, der aufsuchenden Jugendsozialarbeit und der Kinder- und Jugendschutzarbeit.

Auch sehen wir, dass bei vielen finanziellen Förderungen die Kommunen in der Pflicht sind. Wir sagen aber auch, dass hier das Land stärker die Verantwortung übernehmen muss.

zu b) Die Zusammenarbeit des Landes mit den Kommunen ist sehr wichtig. Dafür braucht es auch zukünftig einen konstruktiven Dialog mit den kommunalen Spitzenverbände. Um tragfähige Reformen gemeinsam auf den Weg zu bringen, müssen wir in enger Kommunikation zueinanderstehen.

Bündnis 90 / Die Grünen – Herr Arne-Matz Ramcke

Um das Kindeswohl sicherstellen zu können unterstütze ich gerne indem ich mich dafür einsetze, mehr Mittel im Haushalt zu ordnen und Maßnahmen mit zu entwickeln und würde hier auf eine gemeinsame Konzeption setzen. Damit möchte ich gern mit Ihrer Unterstützung eine Lobby für die in unserer Gesellschaft benachteiligten Kinder und Jugendliche stellen.

Die Linke – Herr Thomas Karrenbrock, Herr Sebastian Kai Ising, Frau Katjana Zunft

Auf jeder Ebene (Gemeinde, Kreis und Land) müssen die öffentlichen und gemeinnützigen Träger*innen formell und informell konstruktiv und auf Augenhöhe zum Wohle der Menschen zusammenarbeiten. In den Gemeinde- und Kommunalvertretungen müssen die Reformpläne transparent diskutiert und beschlossen werden.

Das Land muss die Gemeinden und Kommunen regelmäßig und tatkräftig unterstützen, um in Erfahrung zu bringen, an welchen Stellen es hakt, und welche Unterstützung braucht welche Kommune. Können Gesetze vor Ort umgesetzt werden und wie kann das Land den Kommunen bei den Aufgaben der Selbstverwaltung unterstützen?

Die Reform muss zu einem besseren Versorgungssystem für die Kinder und Jugendlichen führen und darf unter keinen Umständen von finanzpolitischen Gesichtspunkten dominiert werden.

Das Land Schleswig-Holstein soll sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass die Kostenheranziehung bei Kindern und Jugendlichen, die auf Jugendhilfe angewiesen sind, abgeschafft wird.

4. Bezahlbarer Wohnraum

Eines der dringendsten sozialen Probleme in Lübeck ist der nicht bezahlbare/vorhandene Wohnraum innerhalb der Stadt. Oftmals scheitern Vorhaben nicht nur an der Finanzierung oder mangelnder Grundstücke, sondern auch an langwierigen Genehmigungsverfahren.

  1. a) Welche Möglichkeiten/Anreize sehen Sie in Ihrer Partei, bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen?
  2. b) Welche Ideen bringen Sie mit, um neue Wohnformen (z.B. Mehrgenerationenprojekte, Inklusive Wohnformen, …) stärker zu fördern?
  3. c) Welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es, dass jede Person es sich leisten kann, eine Wohnung zu unterhalten?

Antworten

CDU – Dr. Hermann Junghans

Auch ich bin der Meinung, dass bezahlbarer Wohnraum einer der drängendsten Probleme unserer Zeit ist. Dagegen hilft nur mehr zu bauen. Genehmigungsverfahren und teure Auflagen für das Bauen sollen sich grundsätzlich (Ausnahmen, wie denkmalrechtliche Aspekte lasse ich hier aus Platzgründen weg) auf die Punkte beschränken, wo sie für die Sicherheit und zur Verhinderung von späteren Wohnnebenkosten sinnvoll sind.

Ein ausreichendes Wohnungsangebot für alle Alters- und Einkommensgruppen ist nach meiner festen Auffassung ein wirksameres Instrument für die Verbesserung der Wohnraumversorgung als staatliche Zwangsmaßnahmen, die vielleicht kurzfristig die Kostensituation entspannen, aber bereits mittelfristig dazu führen, dass Investoren nicht mehr in Wohnungsbau investieren wollen und sich das Wohnungsangebot dadurch weiter verknappt. Ein ausreichendes Wohnraumangebot verhindert auch, dass Vermieter unangemessen hohe Mietforderungen durchsetzen können.

Ein gutes Instrument zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes ist für mich die Förderung von Wohnungsgenossenschaften. Ich bewohne mit meiner Lebensgefährtin eine Wohnung des Lübecker Bauvereins und freue mich über eine gute Kombination von Wohnqualität zu angemessenen Preisen. Das sollte breiteren Bevölkerungsschichten zugutekommen.


CDU – Frau Dagmar Hildebrand und Frau Anette Röttger

zu a) In der zurückliegenden Legislaturperiode haben wir über eine Milliarde Euro für mehr Wohnraum in Schleswig-Holstein zur Verfügung gestellt – das ist ein Rekord. Diese Wohnraumoffensive werden wir fortführen, damit auch zukünftig jährlich deutlich mehr als 10.000 neue Wohnungen entstehen. Dabei werden wir das Sonderprogramm der sozialen Wohnraumförderung für besondere Bedarfsgruppen – Frauen aus Frauenhäusern sowie von Armut und Wohnungslosigkeit bedrohte Haushalte – fortschreiben. Mehr bezahlbaren Wohnraum werden wir zudem durch die Verlängerung oder den Erwerb von Belegbindungen in Bestandsgebäuden sicherstellen. Um Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken, planen wir zudem einen Leitfaden gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt zu entwickeln.

zu b) Als CDU wollen wir barrierefreie und altersgerechte Wohnformen und die Bildung von Wohnquartieren mit einer altersgerechten Infrastruktur vor Ort finanziell und ideell fördern. Konzepten wie Mehrgenerationenhäusern stehen wir offen gegenüber. Weiterhin ist es unser Ziel, leerstehende Gewerbeflächen, alte Industrieanlagen oder Kasernen in Innenstädten in Wohnraum umwandeln.

zu c) Zu einem guten Leben gehört bezahlbare Wohnen und, wenn man es möchte, ein Eigenheim, das man sich leisten kann. Als CDU unterstützen wir dies nach Kräften. Dazu werden wir Familien beim Ersterwerb einer selbstgenutzten Wohnimmobilie von der Grunderwerbsteuer befreien. Weiterhin setzen wir uns im Bund für eine weitere Erhöhung des Wohngeldes ein und starten eine Initiative zur konsequenten Ahndung von Mietwucher im Wirtschaftsstrafrecht.


Bündnis 90 / Die Grünen – Herr Arne-Matz Ramcke

zu a) Bauen, bauen, bauen. Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau aufstocken von 450€/qm auf 600€/qm. Die Landes- und Kommunalenwohnungsbaugesellschaften fördern – mehr Immobilien aufkaufen und sanieren und so in die soziale Bindung zubringen.

Monitoring etwaiger Leerstände und die Etablierung einer Tauschbörse von Wohnraum, wenn Lebenssituationen sich ändern. Die Idee dahinter, kleinere Wohnungen sind im Verhältnis teurer als große in „alten“ Verträgen – hier kann reguliert werden: kleinere Wohnungen günstiger an Alleinstehende vermieten, die große zum „Normalpreis“ an die Familie geben

Zur Stabilisierung des Mietzinses, in Gebieten mit angespannter Situation wollen wir die Mietpreisbremse und die Kappungsgrenzenverordnung wieder einführen – die Ampel sieht vor, sie auf 11% abzusenken (Kappung heißt: nicht mehr als 20% Erhöhung innerhalb von 3 Jahren, in angespannten Gebieten nur 15% – jetzt: 11%). Zudem wollen wir ein Zweckentfremdungsverbot in angespannten Lagen etablieren: unzulässige Nutzung insbesondere von Wohnraum, der nicht dauerhaft vermietet wird ist nicht erlaubt (Feriengebiete!).

Und ein Wohnraumschutzgesetz etablieren –dass eher landesweit, um damit auch prekäre Unterbringungen zu verhindern und „guten“ Wohnraum vorzuhalten.

zu b) Die Idee besteht ja bereits, somit ist es eher ein Problem des Angebots neue Wohnformen umsetzen zu können. Die Kommunen sind in der Lage im Zuge ihrer Bebauungspläne einen %-Satz der geplanten Wohnbauflächen für Projekte dieser Wohnformen vorzuhalten. Ich würde mir zur Aufgabe machen, die LBO noch einmal zu überprüfen ob hier ggf. Änderungen zur Angebotsstärkung möglich und notwendig sind.

 

Die Linke – Herr Thomas Karrenbrock, Herr Sebastian Kai Ising, Frau Katjana Zunft

Viele unserer Genoss*innen sind Mieter*innen und kennen die Probleme, die von den verantwortlichen Politiker*innen immer negiert werden. Die Themen bezahlbarer Wohnraum und faire Mieten nehmen einen großen Raum ein. Mithilfe einer aktuellen Unterschriftenkampagne sind unsere Mitglieder gerade an den Lübecker Haustüren und fordern den neuen Landtag auf, nach der Wahl, die Mietpreisbremse in Schleswig- Holstein wieder einzuführen, um der katastrophalen Lage auf dem Wohnungsmarkt in Schleswig-Holstein zu begegnen.

Wir wollen in Schleswig-Holstein dazu beitragen, Menschen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu sichern, indem sie übermäßige Mietsteigerungen bei Neuvermietungen und bei Bestandsmieten verhindern. Wir fordern mit unserer Unterschriftenkampagne deshalb den Landtag auf, die Umsetzung der Mietpreisbremse, der Kappungsgrenzenverordnung und der im Baulandmobilisierungsgesetz vorgesehenen Regelungen bis Ende 2022 in Schleswig-Holstein auf den Weg zu bringen.

Schleswig-Holstein hat als einiges der wenigen Bundesländer für Wohnraum kein Wohnraumschutzgesetz erlassen. Nur dann kann z.B. Leerstand von den Kommunen bekämpft und im Zweifel in die öffentliche Hand zurückgeführt werden. Auch der Wildwuchs an Zweit- und Ferienwohnungen und die Vermietung von Wohnraum zu touristischen Zwecken über Portale wie Air b’n‘b wollen wir so wirksam einschränke n.

Öffentliches Bauland wollen wir zukünftig an öffentlichen Wohnungsbau binden. Es darf kein Verkauf öffentlicher Flächen an private Unternehmen mehr erfolgen.

Darüber hinaus fordern wir, dass das Land Schleswig-Holstein einen Bodenfonds auflegt, der Kommunen finanziell bei der Wahrnehmung ihrer kommunalen Vorkaufsrechte unterstützt.

Langfristiges Ziel muss es dabei sein, kommunale Wohnungsbaufirmen zu stärken und möglichst viel des Wohnraums zurück in die öffentliche Hand zu bringen, um nicht weiter von der gewinnorientierten Politik privater Wohnungsbaufirmen abhängig zu sein.

Dabei ist das Recht jedes einzelnen Menschen auf Wohnraum zukünftig in der Landesverfassung zu garantieren und die Schaffung barrierefreien und klimagerechtem Wohnraums zu berücksichtigen.

Wir wollen zudem die Anforderungen des Klimaschutzes an eine moderne Baupolitik mit der sozialen Frage verbinden, um klimagerechtes Wohnen nicht zur Frage des Geldbeutels zu machen. Vielmehr könne alle Menschen langfristig durch erneuerbare Energien und energetische Sanierungen von einer Senkung der Nebenkosten profitieren. Wissenschaftliche Studien gehen jedoch davon aus, dass auch bei angepasster und sachgerechter energetischer Sanierung bei etwa einem Drittel aller Vorhaben die so genannte „Warmmietenneutralität“ verfehlt wird. Das bedeutet, dass die umgelegten Jahreskosten der energetischen Sanierungen höher ausfallen als die Kosteneinsparungen bei Ausgaben für Heizung und Warmwasser. Es besteht also eine erhebliche Finanzierungslücke.

Diese kann je nachdem wie angespannt der regionale Wohnungsmarkt ist entweder zu ausbleibenden Sanierungen oder zu rasant steigenden Mieten führen. Dem wollen wir mit entsprechenden Investitionen und einer städtischen Beratungsstelle für Mieter*innen entgegenwirken, um Kündigungen, insbesondere von Menschen im SGB2, vorzubeugen und Mieter*innen vor zusätzlichen Kosten zu bewahren.

5. Wohnen für Menschen mit Behinderung

In Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention steht: „Menschen mit Behinderung müssen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben. Sie dürfen nicht auf eine besondere Wohnform verpflichtet sein.“ Im 9. Sozialgesetzbuch (Paragraf 8, Absatz 3) steht: „Leistungen, Dienste und Einrichtungen lassen den Leistungsberechtigten möglichst viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände und fördern ihre Selbstbestimmung.“ Beide Gesetze sollen erreichen, dass Menschen mit Behinderung frei wählen können, wo sie wohnen, wie sie wohnen, mit wem sie wohnen. Die rechtliche Situation hat sich für Menschen mit Behinderung dadurch sehr verbessert. Aber in der Wirklichkeit sieht es oft anders aus. Noch immer fehlen barrierefreie Wohnungen, ambulante Wohn-Angebote und mehr finanzielle Unterstützung. Damit das möglich wird, braucht es mehr günstige Wohnungen, finanzielle Unterstützung und ein größeres Angebot an Teilhabe-Assistenz.

Wie wollen Sie mehr bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit Handicap und die für diese Menschen oft notwendige Teilhabe-Assistenz erreichen?

Antworten

CDU – Dr. Hermann Junghans

Den hier genannten Grundansatz teile ich. Auch Menschen mit Behinderung müssen eine breite Auswahl von Wohnmöglichkeiten haben. Es darf allerdings auch nicht verschwiegen werden, dass barrierefreies Bauen und der Wunsch nach mehr bezahlbarem Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten in einem gewissen Widerspruch zueinanderstehen. Barrierefreies Bauen ist teurer als traditionelles Bauen. Es ist allerdings vorausschauend, mehr barrierefrei zu bauen, da auch Menschen, die noch keine Behinderungen haben mit zunehmendem Alter mit entsprechenden Einschränkungen rechnen müssen. Ein Mittelweg wäre beispielsweise Fahrstühle nicht bei jedem Neubau vorzuschreiben, aber die Möglichkeit einer Nachrüstung schon in der Planung von Neubauten zu berücksichtigen. Auch wenn dies schon Mehrkosten verursacht, kann es sich über die gesamte Nutzungszeit des Gebäudes rechnen.

CDU – Frau Dagmar Hildebrand und Frau Anette Röttger

Die Befähigung zur wirksamen Teilhabe und Partizipation von Menschen mit Behinderungen hat bei uns einen hohen Stellenwert. Insbesondere barrierefreier und bezahlbarer Wohnraum muss für die unterschiedlichen Bedarfsgruppen wie Menschen mit schwerstmehrfachen Behinderungen geschaffen werden. In den letzten Jahren haben wir bereits den Wohnungsbau in Schleswig-Holstein gefördert. Seit 2017 sind insgesamt knapp 1 Mrd.€ für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt worden. Wir wollen auch weiterhin Fördermöglichkeiten auf den Weg bringen, damit wir die erfolgreiche Wohnungsbaupolitik fortführen können. Leider gibt es immer wieder Engstellen bei der Beschaffung von zusätzlichem bezahlbarem Wohnraum, aber das liegt teils an der mangelnden Ausweisung ausreichender Bauflächen in einigen Kommunen. Wir setzen uns aber weiterhin dafür ein den Wohnungsraum in Schleswig-Holstein auszubauen und finanziell zu fördern. Dazu gehört auch, dass wir Barrieren weiterhin abbauen wollen. Die vollständige und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft und in der Gemeinschaft kann nur gelingen, wenn die Barrieren abgebaut sind. Dieses Ziel müssen wir weiterverfolgen.


Bündnis 90 / Die Grünen
– Herr Arne-Matz Ramcke

Diese Zielgruppe ließe sich auch über den sozialen Wohnungsbau und die verschiedenen Förderwege einbinden und fördern. Ggf bedarf es dann noch einer zusätzlichen Förderung die auf die bestehenden Förderwege im sozialen Wohnungsbau aufbaut.

Die Linke – Herr Thomas Karrenbrock, Herr Sebastian Kai Ising, Frau Katjana Zunft

Eine soziale Wohnungsbaupolitik ist nicht nur dadurch erfüllt, dass ausreichend Wohnraum vorhanden ist. Wohnungsbau muss nachhaltig und inklusiv verstanden werden. So ist beim Neubau von Wohnungen dafür Sorge zu tragen, dass in ausreichendem Maße sowohl Wohnraum für Menschen mit körperlichen oder seelischen Einschränkungen als auch für ältere und/oder nicht mobile Menschen und für Assistent*innen vorhanden ist.

Die Landesbauordnung wollen wir deshalb dahingehend verändert, dass wesentlich mehr bedarfsgerechter Wohnraum zur Verfügung steht. Auch die Privatwirtschaft soll verpflichtet werden, verstärkt behinderten- und rollstuhlgerecht zu bauen. Wir wollen inklusive und alternative Wohnprojekte und Genossenschaften stärken und fördern.

Das Land muss entsprechend Fördertöpfe schaffen, um die Gründung von Wohnprojekten und -genossenschaften zu unterstützen.

Wir haben in Lübeck schon unzählige Male Vorstöße für mehr sozialen und inklusiven Wohnungsbau unternommen, leider stießen wir bei den großen Fraktionen SPD und CDU immer wieder auf taube Ohren. Nichtsdestotrotz werden wir dieses und andere soziale Themen immer wieder auf die Tagesordnung setzen. 

6. Inklusion

Die Landesregierung benennt das Themenfeld der „Inklusion“ als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die auf der Umsetzungsebene eine Veränderung im Denken und Handeln angestoßen werden soll.

  1. a) Wie definieren Sie in diesem Prozess „Inklusion“?
  2. b) Welche ganz konkreten Ziele und Maßnahmen haben Sie diesbezüglich im Fokus?

Inklusionsbetriebe sind Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit besonderem sozialem Auftrag. Sie bieten Qualifizierungsmöglichkeiten und sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse für Menschen mit Behinderung. Angesichts einer Vervielfachung der Anzahl von EU-Renten aufgrund psychiatrischer Diagnosen wären entsprechende Arbeitsmöglichkeiten in Inklusionsbetrieben auch unter präventiven Gesichtspunkten sinnvoll.

  1. c) Planen Sie, Inklusionsbetriebe zu sichern und auch Neugründungen, speziell für Menschen mit psychiatrischen Beeinträchtigungen, zu fördern?

Antworten

CDU – Dr. Hermann Junghans

Das Thema Inklusion war für einen wesentlichen Aspekt schon in der vorherigen Antwort berücksichtigt. Neben der Möglichkeit vernünftig zu wohnen, ist die Möglichkeit durch Arbeit am Wirtschaftsprozess teilzunehmen und sich ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften, ein weiterer wichtiger Aspekt für eine gelungene Inklusion. Die derzeitige Situation der Inklusionsbetriebe zu beurteilen, liegt allerdings außerhalb meines Kompetenzbereiches. Hier rate ich dazu, sich an den sozialpolitischen Sprecher der CDU Landtagsfraktion, Herrn Werner Kalinka, zu wenden.

CDU – Frau Dagmar Hildebrand und Frau Anette Röttger

zu a) Inklusion beginnt in den Köpfen. Und Inklusion geht uns alle an. Wir gestalten die Gemeinschaft, in der wir leben und leben wollen. Inklusion bedeutet folglich für mich Solidarität, Partizipation, Teilhabe und Selbstbestimmung. Aber Inklusion ist für mich nicht nur ein Begriff, sondern ein Menschenrecht.

Inklusion muss gelebt werden. Daher müssen wir Inklusion in unserem Alltag integrieren. Wir müssen die Hürden erkennen und sie mit einem geschärften Blick wahrnehmen. Nur so können wir auch die Möglichkeit ergreifen, die Barrieren Schritt für Schritt abzubauen. Hinzukommend muss es ein gesamtgesellschaftliches Ziel sein, Inklusion für ganz selbstverständlich zu halten.  

zu b) Mit dem „Fonds für Barrierefreiheit“ konnten wir bereits viele Maßnahmen umsetzen und Projekte unterstützen. Der Fonds wird mit uns fortgeführt, um den inklusiven Sozialraum auszubauen und zu stärken. Zur vollumfänglichen Teilhabe gehört auch das Recht auf freie Wahl im Gesundheitswesen. Deshalb wollen wir uns für mehr Barrierefreiheit in Krankenhäusern, Arztpraxen, Therapieeinrichtungen und Apotheken einsetzen. Es gibt aber natürlich noch viele weitere Aspekte, die wir fördern und stärken werden, wie zum Beispiel:

  • die Förderung der Integration in den regulären Arbeitsmarkt durch Ausbau der Kooperationen mit den Betrieben und eine Werbekampagne für das Budget für Arbeit und Ausbildung
  • das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung stärken und den Schutz vor sexualisierter Gewalt für Menschen mit Behinderungen ausbauen
  • die Unterstützung für den inklusiven Breiten- und Leistungssport, indem mit einem Modellprojekt die Rahmenbedingungen für den Inklusionssport durch ein eigenes „Sportzentrum Inklusionssport“, das barrierefrei und inklusiv nutzbar sein soll

zu c) Wir wollen den Arbeitsmarkt inklusiver gestalten. Daher begrüßen wir die Förderung von Inklusionsbetrieben ausdrücklich. Wir wollen hinzukommend weitere Maßnahmen auf den Weg bringen, um Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt zu stärken. Dazu gehören der Ausbau von Kooperationen mit den Betrieben als auch eine langfristige Transformation der Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Dabei sollen auch modellhafte Erprobung neue Arbeitsmodelle mit wissenschaftlicher Begleitung erprobt werden. Zusätzlich setzen wir uns für die Einrichtung einer Enquetekommission „Berufliche Bildung und Arbeit für alle Menschen mit Behinderungen“ ein, um Lösungen zu finden, wie die regulären Zugänge zum tertiären Bildungssystem und zum allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen erreicht werden kann. In all unseren Plänen und Zielen sind Menschen mit psychiatrischen und geistigen Beeinträchtigungen eingeschlossen. Da wir die Idee der Neugründung von Inklusionsbetrieben speziell für Menschen mit psychiatrischen Beeinträchtigungen sehr interessant finden, werden wir diese in der nächsten Legislaturperiode intensiv beraten.

 

Bündnis 90 / Die Grünen – Herr Arne-Matz Ramcke

zu a) Konsequentes Einbeziehen von Menschen mit Behinderungen in alle relevanten Prozesse auf Landesebene, Barrieren der Teilhabe und Mitbestimmung hinsichtlich politischer Prozesse und Themen abbauen, Evaluation des Ist-Zustandes: Barrieren identifizieren und abbauen, verbindliche Regeln zur barrierefreien Beteiligung schaffen.

zu b) Partizipative Fortschreibung des Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Kommunen mittels positiver Anreize zur Umsetzung der UN-Konvention ermutigen und in den notwendigen Prozessen unterstützen. Das Landesbehindertengleichstellungsgesetz weiterentwickeln. Menschen in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sollen verstärkt Chancen auf einen Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt erhalten; Menschen bestärken, ihre individuellen Fähigkeiten zu entdecken und ihnen die Chance geben, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen; vereinfachten Zugang zum ersten Arbeitsmarkt fördern, und dies bei fairen Löhnen (Land als Arbeitgeber als Vorbild).

Zuständige Gremien der Selbstverwaltung von Menschen mit Behinderung stärker in die Strukturierung der Aus-,Weiter- und Fortbildung des medizinischen Personals integrieren. Beratung zur Inanspruchnahme von Leistungen unbürokratischer und kompetenter machen, insbesondere die Unterstützungsmöglichkeiten für Frauen mit Behinderung sollen ausgebaut werden.

 

Die Linke – Herr Thomas Karrenbrock, Herr Sebastian Kai Ising, Frau Katjana Zunft

Inklusion sollte viel früher beginnen! Schon in den Schulen sollte dieses Thema viel präsenter sein. Eine Schule für alle, heißt eine Schule für alle. Kinder sollten mehr Kontakt mit Inklusionskinder haben und mit dem Thema Verantwortung für andere Menschen zu übernehmen konfrontiert werden. Lehrkräfte und Inklusionskräfte sollten aufeinander abgestimmt und geschult werden. Das Personal muss entsprechend (und zwar dringend!) aufgestockt werden. Was bringen Qualifizierungen und Arbeitsverhältnisse, wenn die Arbeit schlechter bezahlt werden, und Menschen mit Einschränkungen nicht am normalen Leben teilhaben können? Hier muss es ein Umdenken geben, damit Inklusion gelingen kann.

Inklusion bedeutet, dass Menschen mit jeder Art Einschränkung die Möglichkeit haben sollten, entsprechend gefördert zu werden, und Ihren Platz in unserer Gesellschaft finden zu können. Das wichtigste Mittel zum Gelingen der Inklusion ist zuhören, wie die Menschen mit Handicaps und Erkrankungen jeglicher Art selbst ihr Leben gestalten wollen – dies wollen und müssen wir als Gesellschaft viel besser als bisher machen. Wir als DIE LINKE, wollen und werden dies tun.

Wir können uns viele Maßnahmen vorstellen – aber wie im vorherigen Absatz erwähnt, würden wir unser Handeln gemeinsam mit den Vereinen und Verbänden der betroffenen Menschen und der Expert*innen auf dem Gebiet abstimmen.

7. Armut

Die Wohlfahrtsverbände sehen in ihrer täglichen Arbeit, dass das Armutsrisiko für viele Menschen deutlich steigt und zur Bedrohung existenzieller Grundbedürfnisse wird. Die Schlangen vor den Tafeln werden länger und immer mehr Menschen fühlen sich von Gesellschaft und Politik „abgehängt“. Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften in Lübeck haben dazu 2019 ein Diskussionspapier erarbeitet mit konkreten Forderungen und Vorschlägen für ein kommunales weitgehend sozialraumorientiertes Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Armut. Inzwischen hat sich die Situation coronabedingt nochmals erheblich verschlechtert. Aktuelle Studien, die sich mit der sozialen Thematik/Entwicklung befassen, bilanzieren eine zunehmende Aufspaltung der Gesellschaft, ein weiteres Divergieren der Lebenschancen. Immer mehr Menschen werden zu Betroffenen und die Leidtragenden werden in besonderem Maße Kinder und Jugendliche sein.

Welche konkreten Handlungsmöglichkeiten/-erfordernisse sehen Sie auf kommunaler und landespolitischer Ebene für eine wirksame Reduzierung von Armut bzw. Armutsfolgen?

Antworten

CDU – Dr. Hermann Junghans

Schon beim Armutsbegriff gehen die Meinungen stark auseinander. Der derzeit herrschende Armutsbegriff ist ein relativer, der im Vergleich zu den allgemeinen Einkommensverhältnissen definiert wird. Ich halte einen solchen Armutsbegriff für unsinnig, weil es nach ihm in einer freien Gesellschaft immer Armut geben würde. Nach meiner Auffassung ist ein absoluter Armutsbegriff sinnvoller. Arm ist zumindest, wer wieder Wohnung hat, noch sich vernünftig ernähren kann oder frieren muss. Schon nach dieser Mindestdefinition muss man feststellen, dass es in Deutschland Armut gibt.

Die erste Grundlage zur Bekämpfung von Armut ist ein gesellschaftlicher Wohlstand, der so groß ist, dass ein Abzweigen von Wirtschaftsleistung zur Bekämpfung von Armut nicht auf Widerstand derjenigen stößt, die den Wohlstand erwirtschaften. Ein produktives Wirtschaftssystem ist deshalb die Basis für Armutsbekämpfung.

Manche politischen Mitbewerber setzen ihre Strategien zur Armutsbekämpfung sehr einseitig darauf, einen steigenden Anteil der Wirtschaftsleistung für Soziales zur Verfügung zu stellen. Das kann auf Dauer nicht erfolgreich sein, weil es auch weiterhin Leistungsanreize geben muss, auch weiterhin mehr zu leisten. Dies ist keine rein theoretische Überlegung, wenn man berücksichtigt, welche Erfahrungen Schweden in den frühen 80er Jahren mit einer hohen Steuer und Abgabenlast gemacht hat, die schließlich dazu führte, dass weniger statt mehr Ressourcen für den Sozialstaat zur Verfügung standen.

Wichtig zur Armutsbekämpfung ist, dass eine gut laufende Wirtschaft auch Arbeitsangebote für Menschen mit Vermittlungshemmnissen bietet. Soweit die Vermittlungshemmnisse so groß sind, dass eine Integration auch auf dem zweiten Arbeitsmarkt nicht möglich erscheint, kann sich eine wirtschaftlich starke Gemeinschaft mehr Unterstützung leisten, als eine wirtschaftlich schwache.

Sehr geehrte Frau Eitel mir ist bewusst, dass meine Antworten auf Ihre Fragen nicht in jedem Fall das treffen, was sie sich gewünscht haben. Ich hoffe aber, dass meine Darlegungen für sie schlüssig sind und deutlich wird, dass meine Antworten auf Überzeugungen gründen und nicht auf einen möglichst hohen Zustimmungseffekt.

CDU – Frau Dagmar Hildebrand und Frau Anette Röttger

Armut ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das wir bekämpfen müssen. Dabei müssen wir besonders die Kinder und Jugendlichen im Blick behalten. Wir als CDU Schleswig-Holstein haben mit Initiativen wie „Kein Kind ohne Mahlzeit“ sichergestellt, dass Kinder aus einkommensschwachen Haushalten täglich ein kostenfreies, gesundes und warmes Mittagessen bekommen. Mit unserem Programm „PerspektivSchulen“ unterstützen wir Schulen in besonderen sozialen Lagen. Das Programm ist so erfolgreich, dass es bundesweit ausgeweitet wird. Wir werden es evaluieren und ggf. ausbauen. Dazukommend haben wir in der Pandemiezeit alle bedürftigen Kinder mit digitalen Endgeräten ausstatten. Dies wollen wir weiterführen. Gute Bildung und Ausbildung schützt vor Armut und fördert die Chancengerechtigkeit.

Wir werden uns auch für Menschen einsetzen, die von Armut und Wohnungslosigkeit betroffen sind, indem wir unser gezieltes Wohnungsprogramm fortführen. Dabei sollen auch die Frauenhäuser weiter saniert werden. Außerdem wollen wir weitere Maßnahmen ergreifen, um die Armut zu reduzieren. Hierzu gehört die ehrenamtliche und wertvolle Arbeit der Tafel weiterhin zu unterstützen.

Ebenfalls soll der Fonds für soziale Härten dauerhaft bestehen bleiben, um den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zu entlasten und den Menschen in Not zu helfen. Wir werden die Mittel für Armutsbekämpfung weiter ausweiten.


Bündnis 90 / Die Grünen – Herr Arne-Matz Ramcke

Gemeinsam mit Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden, Jobcentern und anderen wichtigen Akteur*innen werden wir eine detaillierte Berichterstattung über die Lage in Schleswig-Holstein entwickeln, in der auch die Situation von Menschen in Maßnahmen und geförderten Arbeitsplätzen betrachtet wird. Wir möchten Armut nicht in Statistiken verstecken, sondern ihre Ursachen bekämpfen und gemeinsam mit den Betroffenen wirksame Wege in gute Arbeitsplätze entwickeln. Dazu gehört auch, Maßnahmen durch stabile, individualisierte Beratungs- und Begleitprojekte zu ergänzen, ihre Qualität dauerhaft sicherzustellen und gemeinsam mit den Trägern und Betroffenen zu verbessern.

Einführung des Bürgergelds konstruktiv begleiten, Hartz IV überwinden und uns für die gerechte Besteuerung der Superreichen einsetzen.

 

Die Linke – Herr Thomas Karrenbrock, Herr Sebastian Kai Ising, Frau Katjana Zunft

Für DIE LINKE ist Armut eine Folge unseres Wirtschaftens. Armut in Deutschland ist in den allermeisten Fällen kein persönliches Versagen, sondern ein Versagen unseres Sozial- und Rechtssystems.

Viele Hilfssysteme sind auf Kante genäht und können nicht allen Betroffen helfen – dazu beigetragen haben alle Regierungen in den letzten 30 Jahren. Frauenhäuser weisen Frauen ab, Obdachlosenheime sind in einem teilweise erbärmlichen Zustand, Termine bei Psychiater*innen bekommt man frühestens in einem halben Jahr und die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Jobcenter oder andere Leistungsträger*innen vor Gericht dauert auch sehr lange.

Deswegen ist es die wichtigste Aufgabe der Parlamente die Leistungsfähigkeit der Sozialsysteme und des Rechtsystem wiederherzustellen. Dafür muss alles erdenklich Mögliche getan werden. Nur so kann das Vertrauen in die Politik und den Staat wiederhergestellt werden.

Dieses ist seit den „Sozialreformen“ (Arbeitslosengeld 2) stark gesunken und DIE LINKE hat es sich zur Aufgabe gemacht es wiederherzustellen.

Wir unterstützen alle Menschen, die aufgrund von finanzieller Armut in Not geraten sind und wo andere Systeme versagen.